Stadtkirche Waldeck

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Kloster
Kirche

Diese Inschrift auf der Gedenktafel am Eingang kennzeichnet die Sonderstellung, die das Gotteshaus von Waldeck unter den Kirchen des Waldecker Landes einnimmt. Aber auch in kunstgeschichtlicher Hinsicht verdient die Kirche Beachtung. Sie stellt sich heute als ein Hallenkirche spätgotischen Charakters dar. Überliefert ist, dass der Bischof Wilhelm von Havelberg am 13. Mai 1236 ein Kapelle in Waldeck der heiligen Maria weihte und dem 1228 gegründeten Zisterzienserinnenkloster Marienthal in Netze unterstellte. Unsicher ist, ob diese Kapelle an der Stelle der jetzigen Kirche stand oder die 1922 abgerissene alte Stadtschule war, die frühgotische Formen aufwies und mit einer Kapelle Ähnlichkeit hatte.

Der C h o r  ist um 1300 begonnen und älter als das Schiff, das zu seiner jetzigen Gestalt im 16. Jahrhundert ausgebaut wurde. Der Turm, seitlich an den Chor gebaut wie bei den Wehrkirchen in Bergheim und Affoldern, hatte früher vielleicht auch wie dort vier kleine Ecktürmchen. Die Inschrift über einem der Fenster an der Ostseite „IM JAHR CHI (=Christi)1560“ weit auf seine Erbauungszeit hin. Die Strebepfeiler am südlichen Schiff wurden im 19. Jahrhundert, zuletzt die am Chor 1867 errichtet und 1950 bis auf Straßenhöhe nach unten verlängert; die Treppe zum Turm wurde (anstelle einer Holzleiter) erst 1938 erbaut.

Im Jahr 1936 begann eine umfassende Renovierung der Kirche, die - durch den Krieg unterbrochen – bis 1955 dauerte. 1988 erhielt die Kirche neue Fenster und eine ansprechende Farbgebung.
Im Jahr 2000 wurde eine computergesteuerte Heizungsanlage in der Kirche eingebaut. Im Zuge der Restaurierungsarbeiten am mittelalterlichen Flügelaltar, war dies notwendig geworden, um ein optimales Raumklima in der Kirche zu erhalten.

Von der Innenausstattung der Kirche stammen noch aus mittelalterlicher (also aus vorreformatorischer) Zeit:
1. Der Schnitzaltar mit gemalten Flügeln.

Er stellt die Krönung der Maria durch die Dreieinigkeit dar (Krone und Taube fehlen). Er ist seit April 1999 wegen starker Schädigungen zur Restaurierung im Landesamt für Denkmalpflege in Hessen. Die Rückführung wird im Jahr 2002 erwartet.

Nachweislich wurde die Kirche 1483 mit einem vierten, einem Marienaltar, ausgestattet, so dass dieses Jahr als das früheste seiner Entstehung angesehen werden kann. Er wurde von Margarete Huhn gestiftet, die zwischen 1460 und 1499 nachzuweisen ist und Äbtissin des ehemaligen Augustinerinnenklosters Berich war, dessen Reste jetzt im Edersee liegen.  Sie ist in der unteren Ecke des linken Flügels als Stifterfigur abgebildet. Der linke Flügel zeigt vorn die Ankündigung der Geburt Jesu.

Auf seiner Außenseite zeigt der linke Flügel das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Mt. 25, 1-13) in einer sehr seltenen „katechetischen“ Darstellungsart. In der Mitte eines breiten saalartigen Treppenhauses führen teppichbelegte Stufen hinauf zu einem Podest, auf dem sich ein großes Kruzifix erhebt, und herab zum weit aufgesperrten, rotglühenden Höllendrachen, in dem sich Verdammte befinden.

Am linken Bildrand sind die fünf klugen Jungfrauen nebeneinander aufgereiht. Sie halten brennende Lampen in den Händen und tragen Kronen über ihren geflochtenen Haaren. Ihnen gegenüber stehen die fünf törichten Jungfrauen. Sie tragen weiße Hauben und schauen klagend und scheel zu den klugen. Ihre Lampen halten sie nach unten; das letzte Öl tropft heraus.

Sie können dem erwarteten Bräutigam nicht mit brennenden Lichtern entgegengehen.
Auf die Stufen zwischen dem Kreuz Christi als Zeichen des Heils und dem Höllenrachen als Zeichen ewiger Verdammnis gestellt, mahnen die beiden Frauenreihen, dem Leben das rechte Ziel zu geben und die Stufen zum rettenden, lebensverheißenden Herrn hinaufzusteigen. Das Gleichnis Jesu und seine Interpretation sind auf diese Weise sehr anschaulich miteinander verknüpft.
Auf dem rechten Flügel ist vorn die Anbetung der Weisen aus dem Morgenland dargestellt, hinten zeigt er die heilige Ursula und den heiligen Valentin, Bischof von Terni, den Schutzpatron der Fallsüchtigen. Auf die Predella des Altars sind Christus und die Jünger gemalt. Der geschnitzte Kruzifixus ist von beachtlicher Qualität.

Die gemalte Gedächtnistafel (vor dem Chorraum links) ist der bei der Geburt ihres ersten Kindes gestorbenen Pfarrfrau Christiana Margaretha Schellenberger, geborene Grubbusch aus Wildungen (1633-1667) gewidmet.
In der halbhohen modernen Nordempore sind Füllhölzer aus einer alten Empore eingesetzt und ein Balken, dessen Inschrift (aus Psalm 27) auf deutsch lautet: „Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne, dass ich bleiben möge im Hause des Herrn immerdar, zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn.“

Das Lesepult  schuf der Bildhauer Wilhelm Hugues aus Hümme im Jahr 1956.
Überall in der Kirche befinden sich Gräber  (Angehörige des Gräflich-waldeckischen Hauses, Pfarrrer und Amtsleute, Hofleute mit Familienangehörigen).

Folgende vier Grabsteine sind ganz oder teilweise erhalten:
1. Das große Sandsteinepitaph für Johanna Agathe, zwölftes Kind aus der Ehe des Grafen von Waldeck mit Elisabeth, geb. Gräfin von Nassau-Siegen. Das Mädchen starb am 20. Mai 1636 an der Pest. Die lateinische Inschrift heißt auf deutsch: „Johanna Agathe, eine Blüte eines berühmten Geschlechtes und ein Liebling der Eltern, ein Anker für die Armen, eine Königin der Jugend, ein strahlender Stern vor Gott, und vor den Menschen der süße Frieden selber, bewahrte in vollendeten Gliedern ein keusches Gemüt, ertrug furchtlos die Pest und gab ihre Seele Christus, ihren Leib in Hoffnung dem Grabe, als sie zweimal acht Jahre abzüglich 17 Tage vollbracht hatte. Ihre jungfräuliche Seele wurde zum Himmelsthron erhoben, als ein schrecklicher Krieg mit anhaltenden Schlägen die Erde erschütterte“.

2. Der Gedenkstein für den Stadtpfarrer und Hofprediger Heinrich Cölner (1598 bis 1640). Die lateinische Inschrift lautet übersetzt: „Der Hochberühmte Heinrich Cölner ist hier begraben, in den schönen Künsten erfahren, in der heiligen Schrift bewandert, der griechischen, hebräischen und syrischen Sprachen kundig. Wie er als wachsamer Diener des Wortes in Adorf neun Jahre, in Goddelsheim sieben Jahre, in Wildungen drei Jahre und am waldeckischen Hof ein Jahr durch fromme Predigt und frommen Lebenswandel ein Vorbild gab, so strahlt er jetzt gleich den himmlischen Gestirnen. Er entschlief selig am Tage des göttlichen Jonas. Wahrhaftig wird er wieder auferstehen wie Jonas am jüngsten Tage. Er starb am 12. November im Jahre Christi 1640, 42 Jahre alt, 22 Jahre im Amt, 20 Jahre im Ehestand.“

3. Die 1939 beim Abbruch eines Kirchenstandes wiederaufgefundene, jetzt an der Wand beim Taufstein stehende Grabplatte für Anna Maria Matthäi, geb. Krugk (1650 bis 1676). Sie trägt die Inschrift:
„ANNO 1676 DEN XII AUGUST IST DIE EDLE HER- UND TUGENDREICHE FRAUW ANNA MARIA HERR JOH. FRIEDRICHS MATTAEI GRAEFLICH-WALDECKISCHEN RENTWEISTERS HAUSFRAUW IM HERRN SELIG ENTSCHLAFEN IHRES ALTERS IM XXVI JAR 3 MONAT UND XII TAGE. – IHR VATER WAR HER CASPAR KRUGK STFTS PFARRER IN DER NEUSTATT ZU ROTENBURGK AHN DER FULDA IHRE MUTTER CATTHARINA GEBORENE RICHARDIN ZU ST. GOAR AM RHEIN. TEXT PSALM XXV VERSIC. XVII ET XVIII . DIE ANGST MEINES HERZENS IST GROSS. FÜHRE MICH AUS MEINEN NÖTHEN. SIEHE AN MEINEN JAMMER UND ELEND UND VERGIB MIR ALLE MEINE SÜNDE.“

4. Die Grabplatte für den am 7. März 1552 verstorbenen Franz, Sohn des Grafen Wolrad II von Waldeck und der Anastasia Günthera zu Schwarzburg (Bruchstück), jetzt im Podest an der Emporentreppe eingemauert. Dort ist auch ein Türsturz von 1576. Früher in der westlichen Außenmauer über einem jetzt vermauerten Zugang zur Kirchenempore.
Die Orgel  ist die vierte in der Kirche. Sie besitzt zwei Manuale und zwölf Register und wurde 1952 von der Firma Bosch, Kassel, erbaut. 1978 wurde durch die Firma Lötzerich (jetzt: Krawinkel), Ippinghausen, das Metallpfeifenwerk erneuert und das Orgelgehäuse neu gestaltet.

Von den vier Glocken  im Turm stammen zwei von 1960 und zwei aus dem 14. Jahrhundert. Diese mussten 1943 abgeliefert werden, entgingen aber durch eine glückliche Fügung der Vernichtung. Die eine trägt die Inschrift:
BENEDICTUS QUI VENIT IN NOMINE DOMINI + (= Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn).
Auf der anderen steht: VOVOS VOCO FULGURA FRANGO + DEFUNKTOS PLANGO (= Lebende rufe ich, Blitze breche ich, Tote beklage ich).

Der Platz um die Kirche war früher Friedhof – die alten Grabsteine erinnern noch daran.

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Autor:in

Claudia Unger

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Stadtkirche Waldeck
Sachsenhäuser Straße 10a
34513 Waldeck